Quelle: Thüringische Landeszeitung 06. November 2014 / 15:00 Uhr
Nach Jahrzehnten topfit: TLZ-Leser schwören auf DDR-Elektrogeräte
Von den TLZ-Lesern, die sich über extrem langlebige DDR-Elektrogeräte freuen, will niemand die DDR zurück. Viele wünschen sich aber eine differenziertere Betrachtung des Landes, in dem sie gelebt haben - und durchaus auch eine Würdigung dessen, was gut war.
Nicht totzukriegen ist die 50 Jahre alte Schleuder, die Familie Seiler aus Jena noch heute nutzt. Der TLZ überließen die Seilers einen Teil der Gebrauchsanweisung, die sich - Emanzipation hin, Gleichberechtigung her - ausdrücklich an die Frau im Hause wandte.
Weimar. Dazu gehören für sie eben auch in der DDR produzierte Haushalts- und Elektrogeräte, deren frühzeitiger Verschleiß offenbar schon allein deshalb nicht geplant war, weil die DDR ein rohstoffarmes Land war, in dem das Prinzip des Mangels dominierte. Und weil der Osten anders als der Westen eben nicht aus dem Vollen schöpfen konnte.
Während sich heute viele Verbraucher nicht des Eindrucks erwehren können, dass Produkte bewusst so gebaut werden, dass ihre Lebensdauer eine eher kurze ist, überstehen etliche DDR-Produkte die Jahrzehnte mühelos. Karin und Max Seiler aus Jena etwa benutzen seit 50 Jahren ein und dieselbe Wäscheschleuder. Hergestellt im sächsischen VEB Elbtalwerk Heidenau, steht das 1964 erworbene Stück noch heute bei den Seilers in der Waschküche. "Gewaschen wurde zuerst mit der Rumpel, später kam die gute alte Schwarzenberg-Waschmaschine dazu, die wir heute auch noch benutzen", schreibt Familie Seiler. Die Sicco-Schleuder, die gemäß Beschreibung bis zu 13 Kilogramm Nasswäsche aufnehmen kann, ist stets sowohl mit der normalen Haushaltswäsche als auch Max Seilers Maleranzügen problemlos fertig geworden.
Handrührgerät schon 39 Jahre im Einsatz
Dass sich die Hersteller in der Gebrauchsanweisung, die Familie Seiler der TLZ überließ, ausdrücklich an die "liebe Hausfrau" wandten (siehe Foto), mag typisch für die Zeit gewesen sein. Echte Gleichberechtigung war Mitte der 60er Jahre - aller Propaganda zum Trotz - auch in der DDR ein Mythos. Mochten die Frauen in der Arbeitswelt formal den Männern gleichgestellt sein - in der Familie wurden ihnen weiterhin die traditionellen geschlechtsspezifischen Aufgaben zugewiesen.
Zweckentfremdet hat TLZ-Leser Dirk Trogisch ein DDR-Produkt: das Handrührgerät RG28. Statt damit Teig zu kneten oder Sahne zu schlagen, nutzt er den treuen Helfer, um Farbe in kleinen Weißblechdosen umzurühren. "Anschließend werden die Schneebesen sauber gemacht und warten auf ihren nächsten Einsatz", berichtet der Camburger. "Einfach super." Auf ihren RG28s lässt auch Waltraut Adloff aus Friedrichroda nichts kommen. Das orangefarbene Gerät sieht bei ihr aus wie neu - dabei ist es seit fast 39 Jahren in der Küche im Einsatz. Es war , schreibt ihr Sohn David, ein Geschenk zum Hochzeitstag am 12. Dezember 1975.
TLZ-Leser Lothar Hünefeld aus Gotha meint, dass bei etwa 18 Millionen im Elektrogerätewerk Suhl produzierten Handrührgeräten "wohl jeder", der in der DDR einen Haushalt hatte, einen besaß. Er habe seinen eigenen bereits entsorgen müssen - leider, wie Hünefeld betont. "Denn alle Nachfolgegeräte sehen zwar schön aus, haben aber ihre Macken." Gleichwohl finden sich auch im Hünefeldschen Haushalt noch DDR-Elektrogeräte: beispielsweise eine Narva-Lichterkette, der Garantie-Urkunde nach hergestellt im Mai 1981 unter anderem im Glüso-Werk Tambach-Dietharz. "Ich staune jedes Jahr wieder über ihre Haltbarkeit", schreibt der Gothaer. "Bisher war noch kein anderes Modell an unserem Weihnachtsbaum."
"Romeo" war ein schweres Monster
Dem Berg an Zuschriften, die die TLZ zum Thema DDR-Elektrogeräte erreichten, ist zu entnehmen, dass es noch jede Menge Thüringer Haushalte gibt, in denen mit den "unkaputtbaren" DDR-Fabrikaten gerührt, gegrillt oder - wie im Falle von Gerhard Hauska - auch geföhnt wird: Der Weimarer nutzt zum Haaretrocknen bis heute den Föhn LD7. Ursula Wedermann aus Jena lässt derweil nichts auf ihren RFT-Fernseher aus dem VEB Fernsehgerätewerk Stassfurt kommen, den sie sich noch 1992 zulegte und der bis heute ohne eine einzige Reparatur seinen Dienst tut. "Qualitätsarbeit!" - so Ursula Wedermanns Urteil.
Familie Weiland aus Gera schwört seit Jahrzehnten auf ihren knallgelben elektrischen Brotschneider AS 101, Norbert Feist aus Ruhla wirft von Zeit zu Zeit seine Küchenmaschine Komet an - genauso wie Rita Fischer aus Weimar . Sie nutzt, wie sie schreibt, ihre "Komet 4" nach wie vor zum Plätzchenbacken. Früher sei die Maschine dank einer Reibe auch bei der Zubereitung von Thüringer Klößen unentbehrlich gewesen. "Für eine Person lohnt sich das heute aber nicht mehr." Nicht trennen mag sich die Weimarerin auch von ihrer DDR-Küchenwaage "Romeo", die zwar ein schweres "Monster" sei, aber eben absolut zuverlässig. Wie überhaupt auf die alten Geräte Verlass gewesen sei.
Hat der heutige Murks Methode?
Dem kann auch Familie Schenke aus Eisenach uneingeschränkt zustimmen: Seit ihrer Verlobung im Juni 1982 besitzen Uwe Schenke und seine Frau einen Partygrill "acosta": Er steht noch heute in unserer Küche und wird vor allem für schnelles Grillgut verwendet. Sein Nachteil ist, dass man sich während der Grillzeit nicht zu lange mit anderen Dingen beschäftigen sollte, da das Grillgut sonst schnell verbrennen kann."
Ebenfalls in Eisenach zu Hause ist TLZ-Leserin Heidrun Hotzler , die vor Jahren von einer Tante ein Handrührgerät Komet RG25 erbte, als die Tante ins Seniorenheim zog und ihren Haushalt auflöste. "Zu diesem Gerät habe ich auch alle Zubehörteile wie Kaffeemaschine und Mixtulpe bekommen - und alles funktioniert noch", schreibt Heidrun Hotzler.
Was die Frage aufwirft: Hat der Murks, der heute mitunter produziert wird, Methode? Werden - wie Verbraucherschützer und Experten behaupten - absichtlich Schwachstellen in Elektrogeräte eingebaut, damit der Kunde eben nach einiger Zeit etwas Neues kauft?
Positiv für die Umwelt
Die Industrie weist solche Vorwürfe natürlich zurück. Im Gegenteil, sagt der Zentralverband der Elektroindustrie: Elektro-Hausgeräte sind sehr langlebig. Von den ungefähr 180 Millionen großen Elektro-Hausgeräten in deutschen Haushalten seien fast 75 Millionen älter als zehn Jahre und mehr als 30 Millionen sogar schon 14 Jahre oder länger im Einsatz.
Die Verbraucherorganisation "Murks? Nein danke" indes ist davon überzeugt, dass es kein Zufall sein kann, dass viele Produkte kurz nach Ablauf der Garantie kaputt gehen. Sie fordert eine nachhaltige Produktverantwortung der Hersteller und ruft Verbraucher dazu auf, "Murks" zu melden. Die Homepage ist - wen wunderts - voll mit Meldungen beispielsweise über Mixgeräte, die ausstiegen, kaum dass die Gewährleistung abgelaufen war. Und selbst hier finden sich Hinweise auf die lange Lebensdauer von DDR-Elektrogeräten. Die sich letztlich auch auf die Umwelt positiv auswirkt: Auf unseren Müllkippen landet jedes Jahr schon genug Elektroschrott und Plastikmüll.
Besitzen auch Sie ein noch funktionstüchtiges Elektrogerät aus DDR-Zeiten? Dann schreiben Sie uns bitte an TLZ-Thüringenredaktion, Marienstraße 14 in 99423 Weimar oder per Mail an thueringen@tlz.de. Namen und Anschrift nicht vergessen. Wenn möglich, fügen Sie doch bitte ein Foto bei.
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